„Obatzt, äh ne: ozapft ist…. zünftig!“ So ähnlich stellt man sich in ganz Deutschland das Oktoberfest, die Wiesn und andre bier-haltige Feste vor. Zünftig kann eine Brotzeit sein (mit Bier), die Wadeln von Männern in Lederhosen (mit oder ohne Bier), zünftig sind auch Maderln ohne Bier…..Haben wir das Wort zünftig jetzt also richtig verstanden?
Nein! Haben wir nicht! Denn eigentlich bedeutet es was ganz anderes. Eigentlich ist es DER zentrale Begriff deutschen Handwerkerlebens. Es bezog sich ursprünglich schlicht auf alles, was mit HandwerkerZÜNFTEN zu tun hatte. Da ist in alten Schriften die Rede vom „zünftigen Meister“, von der „zünftigen Ordnung“, zünftigen Satzungen, Vorschriften und Strafen. Bier ist dabei selten in Sicht – außer natürlich bei der vermutlich ungeheuer einflussreichen Brauereizunft….
Ohne Zunftzugehörigkeit war man ein Pfuscher….
Das Zunftwesen also. Was genau bedeutet das? Zünfte waren die Berufsverbände der Handwerker. Und sie waren Zwangsveranstaltungen. Kein Handwerker durfte seine Arbeit verrichten, wenn er nicht einer Zunft angehörte. Zumindest in der Blütezeit des deutschen Handwerks, später werkelten einige „frei“ in Kellern oder auf Dachböden. Die waren aber ziemlich verrufen, galten als „Pfuscher“, Störer, Stümper oder „Sudler“.
Zünfte waren auch wichtige politische Faktoren in dem sich entwickelnden Gefüge aller deutschen Städte. Ja, man kann sagen: Stadtentwicklung und Zunftwesen bedingen einander. Dabei sind mehrere Faktoren wichtig. Etwa die Tatsache, dass man nicht ohne weiteres durch die Gegend reisen konnte (Kriege, Räuber, Zölle, Naturkatastrophen…), wenn man einen neuen Besen oder ein Pfund Gulasch brauchte. So waren Stadtverwaltungen bestrebt, unabhängig zu bleiben – unter anderem dadurch, dass sich alle Gewerke innerhalb ihrer Stadtmauern ansiedelten, die man dann im Idealfall gar nicht mehr verlassen musste. Und so war es dann auch: die Gerber-, oder Weberstrasse und viele andere Straßennamen zeugen noch heute davon. Daran zeigt sich aber auch: Es gab nicht nur EINEN Gerber in der Stadt – die einzelnen Handwerker mussten organisiert werden, das übernahmen die Zünfte. Und so bekamen sie immer mehr Macht, wollten schließlich auch politisches Mitspracherecht. Nach einigen – je nach Stadt unterschiedlich heftigen – bewaffneten Auseinandersetzungen bekamen Zünfte in jeder deutschen Stadt die Anerkennung als „Gewerbestand“, was bedeutet: eigene Statuten, eigene Gerichtsbarkeit und immer auch das Mitspracherechte in der städtischen Polizei und im Stadtrat – wo es natürlich auch um die Festlegung von Steuern und Abgaben, den Bau weiterer Zunfthäuser und vieles mehr ging.
Anstand, Redlichkeit und andre Vorschriften aus dem Zunftwesen
Zünfte selbst sahen ihre Hauptaufgabe in der „Versöhnung der Interessen“ zwischen Produzenten und Konsumenten. Was durchaus auch intensive Qualitätskontrollen aller angebotenen Handwerkswaren beinhaltete, das Verhängen und Ausüben von Strafen und natürlich die Organisation der Ausbildung vom Lehrling über den Gesellen bis zur „Meisterschaft“. Das alles war mit hohen Kosten verbunden, und nicht jeder durfte überall das Handwerk ausüben, das er wollte – Zünfte regelten auch die Zahl ihrer Mitglieder und die Frage nach der Aufnahme von „Fremden“. Der Nachweis von „Anstand und Redlichkeit“ bei einer Aufnahmeanfrage spielte ebenfalls eine wichtige Rolle. Mit Hilfe regionaler Beschränkungen versuchten Zünfte außerdem, ihren Mitgliedern Produktions- und Absatzmonopole zu garantieren. So sind die historischen Zitate zum Zunftwesen voll mit regionalen Besonderheiten – und Konflikten. Viele Zunftregeln konnten sehr willkürlich ausgelegt werden, so kam es immer wieder zu Streit und/oder einer permanenten Erweiterung des ohnehin schon langen, „zünftigen“ Vorschriftenkatalogs..
Alles in allem: Viel Konfliktstoff – und nicht ganz das, was wir heute unter „zünftig“ verstehen (es sei denn, da war zu viel Bier im Spiel…)
Text und Foto: Maria Al-Mana, die Texthandwerkerin
www.texthandwerkerin.de
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