Kennt noch jemand Klaus Kinski? Egal, Dieter Bohlen ist auch ein gutes Vorbild für diesen seltsamen Typ, der einen Teil seiner PR-Strategie recht erfolgreich über Wutanfälle bestreitet. In manchen Sparten kann das völlig in Ordnung sein, sogar beiden Seiten Erleichterung verschaffen, nach dem Motto: „Endlich redet mal jemand Tacheles!“. Denn ein gepflegter Wutanfall kann durchaus die Glaubwürdigkeit des Menschen stärken, der ihn bekommt: Er oder sie wirkt ehrlich, authentisch, echt. Sicher ist es auch kein Zufall, dass sich in der Sachbuch- und Ratgeberliteratur zur Zeit Titel mit „Scheisse…“ oder „fuck it“ recht gut verkaufen. Kurz: Es ist wie überall in der PR: Wenn es zu Ihnen, Ihren Produkten und/oder Dienstleistungen passt, ist durchaus auch mal ein Wutanfall als kalkulierte Öffentlichkeitsstrategie denkbar. Aber trotzdem mit Vorsicht zu genießen!
In der Süddeutschen Zeitung riet schon 2013 Johanna Bruckner ihren Leser/innen: „Werden Sie ruhig ein wenig aggro!“. Sie tat das ausgerechnet in der Rubrik „Karriere“. Da wird festgestellt, dass es Menschen gibt, die „sind einfach zu nett. Sie bleiben mit ihren guten Ideen auf der Strecke, weil sie sich nicht durchsetzen können.“ Da ist sicher was Wahres dran, oder? Grade Selbstständige, die es immer allen recht machen wollen, immer in Sorge sind, möglicherweise Kund/innen zu verlieren, wenn sie die nicht genügend „hätscheln“, sind durchaus immer mal wieder in dieser Gefahr. Und, ganz ehrlich: Wollen Kund/innen denn wirklich dauernd „gehätschelt“ werden? Alle bestimmt nicht.
Der Wutanfall als „unbezahlte PR“
In dem zitierten Beitrag ist vor allem vom „angenehmen Betriebsklima“ die Rede – es geht also eher um Festangestellte und deren Verhaltensweisen. Aber es gibt durchaus auch immer wieder Selbstständige, die durch wütende Polterei auffallen – und sich damit kein bisschen schaden. Beispielsweise Trigema-Chef Wolfgang Grupp. Ob er nun polternd „Gier und Größenwahn“ von Firmeninhabern stoppen will, oder öffentlich mit lebenden Affen posiert, eins ist klar: „Ein Wolfgang Grupp macht nichts umsonst“. Das alles sei halt „kostenlose Werbung“, besser gesagt: „Der Bekanntheitsgrad von Trigema ist nicht nur Werbung, sondern auch unbezahlte PR, egal ob das der Butler war, der Hubschrauber oder der Swimmingpool, der 45 Meter lang ist. Wenn man schreibt, der hat ein viereckiges Schwimmbad, das liest doch keiner. Ich bringe das in den Zusammenhang mit: garantiert Arbeitsplätze, hat noch nie jemanden entlassen – den Werten, die dahinterstehen.“ Zitate aus dem Handelsblatt. Klar, oder? Alles Show und kostenlose Werbung. Kann sich das jetzt nur ein Trigema-Chef leisten, oder wäre das auch eine gute PR-Strategie für andre Selbstständige?
SIE müssen es am Ende aushalten
Wie immer: kommt drauf an. Ich kann mir das in manchen Bereichen ganz gut vorstellen. Wo der Umgangston ohnehin rauer ist. Oder wo Exzentrik etwas gilt… Ich will hier jetzt keine Klischees bedienen und bestimmte Berufszweige aufzählen, denke aber auch: Das ist nur ein Teil dessen, worauf es ankommt. Wichtig ist vor allem: SIE müssen das am Ende aushalten. Vielleicht den zweiten Wutanfall, der als Antwort Ihres Gegenübers unweigerlich folgt, vielleicht müssen Sie danach „den weichen Kerl mit harter Schale“ geben, sich als Rumpelstilzchen oder die Frau mit „Haaren auf den Zähnen“ stilisieren… Vielleicht aber kommen Sie nach einem Wutanfall dann auch problemlos und auf Augenhöhe mit Ihren Kunden ins Gespräch…. Es hat durchaus was für sich: Kund/innen könnten anfangen, Ihnen eher zu vertrauen als jemandem, der immer nur auf Kuschelkurs geht. Ja: Es kann befreiend wirken, für beide Seiten. Und sogar ein Bündnis zwischen Ihnen und Ihrem Gegenüber ist nicht ausgeschlossen. Nämlich dann, wenn sich der Wutanfall gegen einen „gemeinsamen Feind“ richtet: das Finanzamt, den öffentlichen Personennahverkehr….
Konkrete Tipps kann ich Ihnen hier leider keine geben – denn es gibt nicht unbedingt DAS PR-Instrument für Wutanfälle (obwohl: Youtube und/oder Fernsehen sind mit Sicherheit besser geeignet als andere mediale Kanäle….) Was ich mit diesem Teil meiner PR-Typologie vor allem erreichen will, ist:
[ctt title=“Wenn Sie überlegen, welcher PR-Typ Sie sind, machen Sie bitte nicht vor dem Wutanfall halt!“ tweet=“Wenn Sie überlegen, welcher PR-Typ Sie sind, machen Sie bitte nicht vor dem Wutanfall halt!“ coverup=“Mecce“]
Prinzipiell ist nämlich alles möglich, alles darf erst einmal in Erwägung gezogen werden, bevor es als „unbrauchbar“ aussortiert wird. Oder vielleicht doch nicht….
Legen Sie sich keine Scheuklappen an!
Versuchen Sie nicht, Kund/innen zu „hätscheln“, wenn Ihnen die Wut schon im Hals steckt. Das ist weder gut für Ihre Gesundheit, noch schärft es Ihr Profil. Wenn Ihre Wut einen nachvollziehbaren Grund hat, ist sie möglicherweise wirklich das perfekte PR-Instrument – dann könnten Sie sich beispielsweise an Tierschutzverbänden, Menschenrechtsorganisationen oder anderen stark engagierten Gruppen und/oder Menschen ein Vorbild nehmen. Warum nicht?
Niemals allerdings sollten Sie in einem Wutanfall über Kollegen, Konkurrenten oder abwesende andre Kund/innen herziehen! Das verbindet nicht, das wirkt einfach nur unprofessionell, abschreckend und unsympathisch.
Was immer Sie am Ende wählen, es muss zu Ihnen, Ihrer potentiellen Kundschaft und Ihren Produkten passen – das ist und bleibt das A und O guter PR.
Text und Foto: Maria Al-Mana, die Texthandwerkerin
Kontakt
Text, Satz, Buch und Leidenschaft!