Dirk Römer ist Geschäftsführer der kleinen, sehr feinen Düsseldorfer Firma „Hanford & Römer- Luxury Bags- Handmade in Germany“. Neben Taschen bieten er und seine Frau mit ihrer Firma auch Gürtel und weitere Accessoires aus Leder oder Kaschmir an. Römer betont immer wieder: „Dabei stehen wir für kompromisslose Transparenz in allen Phasen der Wertschöpfung. Unsere Produktion erfolgt ausschließlich handmade und customtailored zu 100% in Deutschland“.
Handmade: Versuch einer Begriffsklärung
Gemeinsam mit Römer habe ich versucht, der schwierigen Definition des „Made in Germany“ auf die Spur zu kommen. Ganz schnell waren wir uns einig: Der Begriff ist einfach zu unklar!
Herr Römer, in allen Selbstbeschreibungen Ihrer Arbeit fällt die Betonung des „Handmade in Germany“ auf. Was genau ist darunter zu verstehen?
Römer: Handmade beschreibt die handwerkliche Fertigung von unseren Lederwaren. Also individuell und von Hand, nicht Industriell gefertigt. Bei uns ist das wirklich so. Und zwar in jedem einzelnen Arbeitsschritt, bei jeder Tasche und jedem Stück Leder wieder neu, quasi immer wieder von vorn beginnend. Denn jede Lederhaut ist anders. Jeder neue Arbeitsschritt bringt wieder andere Anforderungen mit sich: zuschneiden und nähen, prägen und ausdünnen, Kanten versäubern und und und. Es würde zu weit führen, das hier alles im Einzelnen zu beschreiben. Und es bringt uns auch dem Begriff „(Hand-)Made in Germany“ keinen Schritt näher. Alles, was ich weiß, ist: Es geht um Handwerk. Und Handwerk lebt vor allem von einem: von Menschen. Und von den Erfahrungen, die sie im Lauf ihres Arbeitslebens, mit dem speziellen Material ihres Handwerks gemacht haben: Wie fühlt es sich an? Wie muss ich es bearbeiten? Was habe ich schon ausprobiert? Was kann ich Neues versuchen?
Made in Germany?
„Made in Germany“ ist ja leider zu einer ziemlich ungenauen Beschreibung verkommen. Es wird gern als Schlagwort verwendet, steht aber schon lang nicht mehr unbedingt für Qualität. Wo sehen Sie die Ursachen für diese Entwicklung?
Römer: Historisch gesehen, war Made in Germany ja erst ein Mangel und hat sich dann zu einem Verkaufsschlager entwickelt (mehr darüber hier). Heute ist es im Ausland auch immer noch ein gutes Markenzeichen. In Deutschland verliert es leider immer mehr an Bedeutung! Das hat natürlich mit der Globalisierung und der politischen Lage zu tun. Will heißen, dass sich in den letzen 20 Jahren vieles zum Schlechteren hin verändert hat. Vor allem, seitdem in Billiglohnländern produziert wird. Der Verbraucher bekommt keinerlei Einblick mehr, beispielsweise in Produktionsbedingungen, Produkt-Bestandteile oder Produktionsprozesse.
Weil das „Made in Germany“ als Begriff keine Trennschärfe hat, kann es ausgelegt werden, wie es will. Das ist absolut schwammig. Da kann man schon „Made in Germany“ auf sein Produkt schreiben, auch wenn zum Beispiel alle Bestandteile aus dem Ausland kommen und hier nur zusammengesetzt werden, oder wenn komplett im Ausland produziert wird und nur die letzten Handstreiche, wie beispielsweise das Etikettieren oder Verpacken in Deutschland erledigt werden. Dies stellt für den Verbraucher ein riesiges Problem dar, denn er kann nicht erkennen, wie viel „Made in Germany“ wirklich drin steckt. Damit verlieren alle: sowohl das produzierende Handwerk wie auch der Wert der „Marke Made in Germany“.
Lange Zeit galt „Made in Germany“ ja als Qualitätsmerkmal. Ist es das aus Ihrer Sicht noch?
Für mich mich ist es immer noch ein positives Merkmal, jedoch müsste es wieder mehr in den Vordergrund gestellt werden. Auch müsste die Politik mehr für den Wert des „Made in Germany“ beitragen und vor allem: eine klare Definition erstellen.
Handmade = Handwerk = Qualität
Die Begriffe „Made in Germany“ und „Handmade in Germany“ unterscheiden sich klar durch den Hinweis auf die Handarbeit in „Handmade“. Aber selbst wenn „Made in Germany“ rein industriell gefertigte Produkte sind, muss das ja nicht unbedingt ein Nachteil sein. Und doch schwingt beim „Handmade“ immer auch ein Qualitäts-Merkmal mit, das von den meisten Menschen höher bewertet wird als reines „Made in Germany“. Ist das nur ein Gefühl? Oder hat es einen realen Hintergrund?
Dies ist ganz eindeutig so! Ein handwerkliches Produkt wird Individuell auf den Kunden zugeschnitten und der Kunde kann sich für besondere Materialien entscheiden – jedenfalls bei uns ist das so. Das funktioniert aber nur dann, wenn in der Produktion Menschen arbeiten, die wissen, was sie tun. Weil sie das in ihrer handwerklichen Ausbildung gelernt haben. Weil sie Erfahrung haben. Und die richtigen Fragen stellen können: an ihr Material, ihre Arbeitsschritte und an sich selbst. Für mich macht es einen großen Unterschied, ob jemand gelernt hat, wie etwas sein MUSS – oder nicht. Da haben wir ja einen riesigen Erfahrungsschatz über das tradierte Handwerkerwissen: in Lederkunde, über Gerbverfahren, im Nähen von Leder, in den unterschiedlichen Lederarten und deren jeweiligen Besonderheiten. Zum Handwerkerwissen gehört aber auch, dass der Mensch Fehler machen – und aus ihnen lernen kann. Dazu gehören sowohl Zeit wie auch das Wissen, dass ich mich mit jedem Arbeitsschritt wieder neu selbst herausfordern muss, um die Arbeit so gut wie möglich – oder gar noch besser – zu machen…. Dann erst bedeutet handwerkliche Arbeit auch wirklich Qualität. Erst, wenn man Handwerk so ausübt, stimmt die Formel Handmade = Qualität wieder.
Wenn also jemand beispielsweise eine Tasche produziert, muss er
- Wissen, wie das optimale Endergebnis aussehen sollte. Das sagt ihm seine Erfahrung. Die hat er optimalerweise im Gedächtnis – oder als neues Produkt vor Augen, oder in einer Skizze, einer Zeichnung.
- Braucht er aber auch die ganz praktische Erfahrung in der Arbeit mit seinen Händen, um zu wissen, wie er das optimale Endergebnis überhaupt erreichen kann.
- Der Weg von 1. nach 2. ist jedes Mal wieder neu. Und besteht aus unendlich vielen Einzelschritten. Jeder dieser Schritte ist ein hochkomplexer Prozess, zum Beispiel: „Wie verhält sich jetzt dieses Stück Leder, wenn ich es prägen will?!“ Oder: Kann ich meine Zuschnitt-Teile von der letzten Tasche – aus einem andren Leder – auch für die nächste Tasche verwenden?“ Antwort: Nein, das kann ich nie!
Jeder handwerkliche Schritt beinhaltet solche Fragen – und die Notwendigkeit, die jeweils richtige Entscheidung zu treffen. Darum ist die Erfahrung so wichtig, nur mit ihr lassen sich die richtigen Entscheidungen treffen – und ein guter Handwerker lernt dabei auch ständig noch etwas Neues dazu. Darum ist aber auch Handarbeit natürlich teurer als die industrielle Fertigung….
Für mich ist vor allem wichtig, dass all dieses handwerkliche Können erhalten bleibt! Denn wenn das Wissen einmal komplett verloren ist – und das ist ja in vielen Branchen so – dann lässt sich es nicht mehr zurückgewinnen. Daher steht mein Unternehmen auch ganz entschieden für den Erhalt von individuellen Handwerkstechniken ein. Und zwar „handmade“!
Und außerhalb Deutschlands?
Wenn es derzeit schon nicht mit dem „..in germany“ klappt, haben Sie Beispiele dafür, ob und wie es in andren Ländern funktioniert?
In Europa ist es allgemein ein Problem geworden mit der Produktion. Es geht überall um Gewinnoptimierung – da haben wir die Grenzen schon erreicht, ab dann wird Europa einfach zu teuer. Selbst in den USA ist das so. Ich habe letztlich einen Beitrag gesehen, in dem ein amerikanischer Baumwollfarmer interviewt wurde. Er fand es bitter, dass seine Baumwolle nach der Ernte in Billiglohnländern verarbeitet wird und die heimische Textilproduktion komplett zusammengebrochen ist. Auch das ist ein riesiges Thema!
Text: Maria Al-Mana, die Texthandwerkerin
www.texthandwerkerin.de
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