Dass es gar nicht so einfach zu bestimmen ist, was „Made in Germany“ nun wirklich ausmacht, welche Teile und Produktionsschritte aus Deutschland kommen müssen und welche nicht, das habe ich bereits im ersten Teil dieser kleinen Reihe zu beschreiben versucht: hier.
Statt mich jetzt aber im Dschungel internationaler Ein- und Ausfuhr-, Deklarations- und Kennzeichnungsbestimmungen zu verlieren, versuche ich lieber, die Frage mal anders rum zu stellen: Wie werden denn Waren „Made in Germany“ wahrgenommen? Von Nicht-Deutschen, von potentiell interessierten Kunden? Alle, die sich mit dem Thema beschäftigen, machen da im Wesentlichen zwei wichtige Bereiche aus. Ich sag’s mal flapsig: Den Mercedes und die Kuckucksuhr. Der Mercedes steht natürlich für die gesamte Wertarbeit der deutschen Industrie. Aber die ist eher nicht das Thema einer Texthandwerkerin….
Die Kuckucksuhr dagegen steht für Schwarzwald, Handarbeit/Handwerk, regionale Manufakturarbeit. Und ein wenig auch für Nostalgie. Über Nostalgisches können wir gern ein andres Mal reden…. Ich will nur gern betonen, dass dies weder meiner Defition von Handwerk noch von „Made in Germany“ entspricht.
Handmade!
Die Kuckucksuhr, die ich vor Augen habe, wird wirklich im Schwarzwald gefertigt. Vorzugsweise in einem Handwerksbetrieb, in dem seit Generationen Holz verarbeitet wird. Und natürlich in Handarbeit. Das ist doch eigentlich DER Inbegriff des Worts „Made in Germany“! Oder? Ein befreundeter Unternehmer, der hochwertige Taschen aus deutschem Leder gemeinsam mit einem der letzten Feintäschner Deutschlands herstellt, rang in unsrem letzten Gespräch sichtlich mit dem Begriff, als ich ihn fragte, was ihn denn nun von all seinen Konkurrenten unterscheide. Natürlich das „Made in Germany“, sagte er. „Aber das echte!“ Er sah die Fragezeichen in meinem Gesicht und fügte hinzu. „Handmade in Germany“. Ist DAS nun der Begriff, der vor allem für Handwerksbetriebe die Rettung aus einem nicht nur sprachlichen Dilemma ist?
Ein Teufelskreis?
Wir wissen: Es ist keineswegs mehr so, dass unter dem Etikett „Made in Germany“ wirklich vermutet werden darf, dass ALLES, von den Einzelteilen bis zur Produktion aus Deutschland kommt, in Deutschland gefertigt wird. Das mag man bedauern oder nicht. Aber es ist nun mal Tatsache: Die Globalisierung unserer Welt ist so weit fortgeschritten, dass jeder unternehmerisch denkende Betrieb angesichts der Preise seiner Konkurrenten ganz schön eigensinnig sein muss, um bei seinen Produkten wirklich darauf zu bestehen, dass alles „echt deutsch“ sein und bleiben muss. Und hat er – oder sie – eine solche Entscheidung getroffen, kommen weitere, ziemlich dicke Brocken auf ihn und sie zu…. Um beim obigen Beispiel zu bleiben: Die Feintäschnerei ist in Deutschland gar kein Ausbildungsberuf mehr – da bekommt der ohnehin schon viel beschworene Fachkräftemangel ganz schnell eine noch dramatischere Bedeutung als ohnehin. Und dann natürlich: der Preis. Der setzt sich ja nicht nur aus den hohen Lohn- und Lohnnebenkosten zusammen, sondern auch aus dem Preis für Rohstoffe und Fertigung. Jeder weiß: Was selten nachgefragt wird, wird selten. Je seltener etwas ist, desto teurer wird es. Kleine Serien sind teurer als die automatisierbare Produktion. Seltene Arbeit kann schlecht delegiert werden – weil sie allzu oft von einem einzelnen Menschen allein erledigt wird. Dann kommt der Zeitfaktor hinzu: Die Produktion dauert länger, was sich ebenfalls auf den Stundenpreis niederschlägt…. Ein Teufelskreis?
Muss nicht sein! Ich habe oben von „Eigensinn“ gesprochen. Wer sich wirklich darauf fokussiert, gründlich und liebevoll, mit Materialien „aus der Region“ ohne allzu große Umweltverschmutzung durch lange Transportwege, ohne die menschenverachtetenden Produktionsbedingungen in Billiglohnländern zu arbeiten, schafft andere Werte. Die sich leider allzu oft nur über „Umwege“ berechnen lassen und darum meist gar keinen Niederschlag im Produkt-Wert finden.
Eigensinn
Zum Beispiel haben viele Menschen heute schon gelernt, dass es einfach keinen Spaß macht, mehr und mehr Müll zu produzieren, jedes halbe Jahr eine Tasche wegzuschmeißen oder sich alle zwei Monate neue Batterien für die Uhr kaufen zu müssen…. Die sind dann auch bereit, sich vielleicht in ihrem ganzen Leben nur EINE Tasche oder eine (Kuckucks-)Uhr zu kaufen. Vorausgesetzt, sie können sicher sein, dass die Produkte wirklich so langlebig sind. Dafür müssen die „eigensinnigen“ Produzenten natürlich sorgen….. Dann sind manche Menschen ja vielleicht doch bereit, mehr für etwas Handgearbeitetes auszugeben. Sie bekommen ja auch einiges an Gegenwert: Nicht mehr dauernd Neues kaufen müssen, Dinge zu nutzen, mit denen sie nach einiger Zeit eine eigne Geschichte verbindet, die man sogar vererben kann…. Und nicht zuletzt: ein gutes Gewissen.
Okay. Es könnte also gehen. Doch einer Begriffsbestimmung des „Made in Germany“ sind wir dadurch leider noch keinen Schritt näher gekommen. Im nächsten Blogeintrag nehme ich einen neuen Anlauf. Bis dahin könnten Sie mir aber schon mal erzählen: Kennen Sie „echte Made in Germany“-Produkte und/oder -Produzenten? Wie könnte das mit der Begriffsbestimmung am besten funktionieren?
Text und Foto: Maria Al-Mana, die Texthandwerkerin
www.texthandwerkerin.de
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