Mein Metier ist der Text: Im Auftrag von Kund:innen schreibe ich Newsletter, Webseiten, interne Mitteilungen oder Produktinformationen. Und helfe als Buchhebamme Menschen dabei, ihr eigenes Buch zu entwickeln, zu schreiben und (im Selfpublishing) zu publizieren. Wenn ich darüber nachdenke, was die Selbstständigkeit seit zehn Jahren mit mir angestellt hat und noch immer anstellt, stolpere ich sofort über ein sprachliches Problem: Was ist der Plural von Fokus?! Ich recherchiere das jetzt mal absichtlich nicht. Denn ich bin fast sicher: Es gibt einen guten Grund dafür, warum DER Fokus eigentlich nur im Singular vorkommt. Es ist schier unmöglich, sich auf mehr als eine Sache zu fokussieren. Und doch scheint mir genau diese unmögliche Fähigkeit immer wieder das zu sein, was eine Soloselbstständige können sollte. Andere nennen es die Fähigkeiten einer eierlegenden Wollmilchsau …
Fokus immer wieder neu justieren …
Während ich diesen Text hier schreibe, sollte ich mich beispielsweise besser auf das fokussieren, was meine derzeit drei Kundinnen von mir erwarten. Das wäre auch noch mit Einkünften verbunden – prima! Der Weg dorthin war schließlich auch nicht gerade leicht. Den habe ich mir erarbeitet, indem ich mich auf das fokussiert habe, was am Markt geht. Textarbeiten für Handwerksbetriebe waren es beispielsweise – wie ich anfangs dachte – überhaupt nicht. Okay: Fokus neu justieren. Und wieder scharfstellen. Immer wieder. Das ist ein Spiel, das ganz schön ermüdend werden kann. Und ich spreche hier NUR von der Frage, womit sich Geld verdienen lässt. Dabei gibt es noch so viele weitere Fragen …
Was sonst noch in den Fokus von Selbstständigen gehört
Selbstständige haben Unmengen an Fragen, die regelmäßig neu in den Fokus genommen werden müssen. Hier mal eben nur die fünf, die ich persönlich für die wichtigsten halte. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr fallen mir natürlich ein … Fokussierung hat also offensichtlich auch was mit dem richtigen timing zu tun: Es bringt selten etwas, Dinge zu „zerkauen“, zu lang über sie nachzudenken. Ich glaube, auch das ist ein Ergebnis der Entwicklung meiner Selbstständigkeit – irgendwann weiß ich mittlerweile relativ sicher: „Jetzt ist es gut!“ Denn die Entscheidung für diesen Punkt liegt ja auch bei mir allein. Wie so vieles …
1. Wie werde und bleibe ich sichtbar?
Unter anderem deshalb schreibe ich soeben diesen Text. Denn ich halte es für extrem wichtig, als Selbstständige so sichtbar wie möglich zu sein. Und zu bleiben. Darum an dieser Stelle: Danke an lexoffice für die Möglichkeit dazu! Denn dieser Text hier ist Teil der „Blogparade Selbstständigkeit“ von lexoffice.
2. Wie komme ich an die RICHTIGEN Kund:innen?
Das „richtig“ ist wichtig. Für mich jedenfalls. Wenn die Chemie untereinander nicht stimmt, kann ich nur schwer gut „sitzende“ Texte entwickeln … Ja, die sollten passen wie ein Lieblings-Kleidungsstück. Und das „richtig“ wird noch viel wichtiger, wenn man sich gemeinsam dranmacht, ein Buch zu entwickeln – das kann Monate dauern. Monate, in denen zwei Menschen eng zusammenarbeiten. Dann liegt mein Fokus auf diesem einen Menschen.
In meinem Fall ist das eine Art Luxus. Denn ich habe mich sehr bewusst dafür entschieden, nur für einzelne Menschen zu arbeiten: für andere Selbstständige, für alle, die aus privatem Interesse über das Schreiben eines eigenen Buchs nachdenken. Ich möchte nicht das Sprachrohr von Firmeninteressen sein, die ich unter Umständen gar nicht teile. Das zu erkennen, war ein wichtiger Schritt meiner Entwicklung als Selbstständige. Und meiner Werte. Daraus resultiert letzten Endes auch meine Liebe zum Eigensinn: Ich möchte dafür einstehen, dass wir nach Möglichkeit alle nur das tun, was für uns – allein für uns – Sinn macht. Und das gilt selbstverständlich auch für mich. Ich habe also auch schon Anfragen von Kund:innen abgelehnt, bei denen ich merkte: Das passt nicht. In solchen Fällen richte ich den Fokus erst auf meine eigene Wahrnehmung. Wenn ich mich dann FÜR jemanden entschieden habe, richte ich den Fokus komplett auf diese Kundin, diesen Kunden und deren Wahrnehmung, deren Welt. Manchmal werde ich dabei zu einer Art Medium dieser Menschen … Dann kann ich in Sprache übersetzen, was sie umtreibt. Oder ihnen dabei helfen, es selbst zu tun. Das ist es, was sich im Lauf meiner Selbstständigkeit herauskristallisiert hat: Dass ich eine Art Talent dafür habe. Das ist wertvoll, für mich wie für meine Kund:innen.
3. Wer erledigt das, was ich nicht so gut kann?
In meinem Fall: Finanzen, Grafiken und vieles mehr – kann ich nicht. Da sind gute Netzwerke das A und O, da kann ich fragen: „Hallo, wer kann mir helfen, habt ihr einen Tipp?“ Auch da braucht es Fokussierung, denn Netzwerke bestehen aus Geben UND Nehmen. Ich sollte also möglichst wenigstens grob auf dem Laufenden bleiben, was neu ist, wer wofür zuständig ist, wer das Metier wechselt oder grad für längere Zeit nicht erreichbar ist. Und: Ich musste erst mal lernen, wie das geht, dass ich mir überhaupt „Hilfe suchen“, Kooperationen eingehen kann. Niemand kann alles allein machen – das ist schlicht ein Irrtum. Und der beginnt dummerweise oft schon beim Wort „soloselbstständig“. Gemeinsame Arbeit, geteilte Arbeit – das sind für alle Selbstständigen wertvolle Optionen, um aus der permanenten Solo-Rolle rauszukommen. Gelingt das, fühlt es sich manchmal fast schon wie Urlaub an.
4. Wie erhalte ich meine Arbeitskraft, meine Gesundheit?
Stichwort Selbstfürsorge … Ist ein weites Feld. Das erspare ich uns jetzt. Und sage nur: Wenn ich Zeit mit meiner Familie, Hobbys, Freizeit, Freund:innen verbringen will, möchte ich mich ausschließlich darauf fokussieren können – und nicht heimlich im Hinterkopf berufliche Probleme wälzen müssen. Auch das musste ich erst lernen. Eine Tür zu. Komplett zu. Andere Tür auf. Und kein Hintertürchen offenlassen. Ist manchmal schwieriger als gedacht …
5. Solo-Selbstständige brauchen mehrere Auftraggeber:innen
Das besagt schon die juristische Definition: Habe ich nur einen „Chef“, bin ich nicht selbstständig. Und es bedeutet: Während ich versuche, mich auf Auftrag 1 zu fokussieren, lauern im Idealfall schon Auftrag 2 und 3 im Hintergrund. Wenn da nichts lauert, sollte ich mich schleunigst darauf fokussieren, neue Aufträge zu genieren. Nein, nicht gleichzeitig. Sondern nacheinander. Was immer da im Hintergrund lauert, es kann schon ganz schön nervös machen zu wissen: „Da ist noch was … Und das auch noch …“. Ich sage mir dann wieder und wieder: Schritt für Schritt! Erst das, dann das ….
Fokus Selbstständigkeit, Fazit
Nein: Einen Plural von Fokus kann es gar nicht geben! Denn dann fangen Bilder, Interessen, Wahrnehmungen an, sich zu überlagern. Das kann ja nicht gutgehen! Ich muss mir das immer wieder vor Augen halten, denn ich habe oft das Bedürfnis, Dinge möglichst schnell erledigt zu kriegen … Es ist so viel, was von mir als Selbstständiger erwartet wird! Und hier rede ich noch gar nicht von DSGVO Nummer XY, vom Verpackungsgesetz zum Versand eigener Bücher, vom neusten SoMe-Shit – bei dem ich dann eben NICHT präsent bin.
Auch das ist eine Entwicklung, die sich mir im Lauf meiner Selbstständigkeit immer stärker gezeigt hat: Die Fähigkeit „nein“ sagen zu können, ist wertvoller denn je. Ohne sie fällt mir die Fokussierung nämlich noch schwerer.
Netter Nebeneffekt: Der berühmte Flow …
Einen sehr netten Nebeneffekt der Fähigkeit zur Fokussierung will ich nicht verschweigen: Wenn es – wie bei mir im Schreiben – in der Selbstständigkeit um kreative Dinge geht, kann die Fähigkeit zur Fokussierung manchmal auch dazu führen, dass man alles andere einfach komplett vergisst. Dass man mitten im berühmten „Flow“ landet. Lässt sich niemals erzwingen. Aber wer Fokussierung zulassen kann, hat gute Chancen, es manchmal auch zu erleben. Und das ist für mich das Krönchen. Das Tüpfelchen auf dem i.
Wenn ich es dann noch geschafft habe, rechtzeitig Telefon(e), virtuelle Benachrichtigungen aller Art aus- oder stummzuschalten, dann weiß ich: Selbstständigkeit ist eine ziemlich gute Art des Arbeitens. Herausfordernd, aber gut. Denn es gibt viele Stellschrauben, an denen ich drehen kann … Ich allein. Dazu brauche ich kein Einverständnis von Vorgesetzten, niemand kann mir reinreden. Das gestalte ich genauso, wie ich es will, wie es am besten für mich ist.
Damit mir das auch wirklich gelingt, nehme ich mir – auch jetzt wieder – vor: Dies ist ein weiterer Fokus, den ich nie aus dem Auge verlieren sollte: „Richte dir deine Arbeitsbedingungen so ein, wie sie für dich passen!“
Meine Werte
Ja, ich habe einen kleinen Umweg genommen … Die Frage nach der Fokussierung sollte zeigen, was mir wichtig ist: Nur, wenn ich mich auf mich fokussieren kann, erhalte ich mir meine Arbeits- und Lebensfreude. Und finde die „richtigen“ Kund:innen. Habe ich die gefunden, fokussiere ich mich ganz auf sie. Mit all meinem Know-How, meiner Kraft, meiner Arbeit. Da gibt es kaum noch „Wenns“ und „Abers“. Das finde ich fair. Und Fairness ist durchaus ein Wert, der mir wichtig ist. Natürlich fällt die faire Bezahlung meiner Arbeit auch unter diesen Punkt… Nicht wenige Selbstständige finden es schwierig, eine faire Bezahlung einzufordern. Meine Erfahrung ist: Wenn ich ohne Schwierigkeiten sagen kann „Ich biete gute Arbeit“, wird es leichter, eine adäquate Bezahlung einzufordern. Und zu dieser „guten Arbeit“ gehört für mich die Fokussierung: auf Menschen, auf Projekte, auf Texte, auf Bücher.
Genau in dieser Reihenfolge macht die Selbstständigkeit für mich sehr viel Sinn – in meinem ganz eigenen Sinn eben. Und Eigensinn ist ein weiterer Wert, der mir wichtig ist. Er steht unter anderem für die Vielfalt der Stimmen, die ich mir wünsche, in Buchform, in Gesprächen, im Netz … Gelebter Eigensinn steht für Individualität und die Möglichkeit, immer wieder die Perspektive zu wechseln. Denn im Gegensatz zu DEM Fokus steht in meinem Wertekanon eine möglichst große Perspektiven-Vielfalt ganz weit oben. Mit anderen Worten: Es geht um persönliche Erfahrungen, um „Grauwerte“ aller Schattierungen. Ich finde jede Art des starren Schwarz-Weiß-Denkens schrecklich … Das führt fast sofort zu Ausgrenzungen. Und davon haben wir wahrlich schon mehr als genug.
In eigener Sache
Die Trilogie des Eigensinns besteht bislang aus zwei Büchern – die sich ohne Probleme auch getrennt voneinander lesen lassen. In „Mein Kompass ist der Eigensinn“ geht es darum, wie wir Eigensinn erkennen, ihn für uns entwickeln können. Aber auch darum, wo er seine Grundlagen hat, welche Vorbilder ich gefunden habe – und wie er uns helfen kann. Als Kompass zum Beispiel. Oder beim Schreiben von (eigenen) Büchern.
In „Wer schreibt, darf eigensinnig sein“ steht eigentlich schon alles Wichtige im Titel: Es geht um die praktische Realisierung des Schreibens mit Eigensinn, um Kreativität, aber auch um Selfpublishing. Da gibt es jede Menge Praxistipps, Übungen und Beispiele. Und auch die Spiellust – meiner Ansicht nach ein wichtiges Schreib-Instrument – kommt nicht zu kurz. Zum Beispiel mit dem Selbsttest „Welcher Schreibtyp bin ich eigentlich?“ Der zieht sich – augenzwinkernd bis ernst – durch das ganze Buch. Trotzdem hat dieses Buch im Untertitel stehen: „kein Schreibratgeber“. Damit möchte ich klarmachen: Mit dem „Gießkannenprinzip“ sollte hier nicht gerechnet werden! Denn Schreiben ist vor allem eines: absolut individuell.
Beide Bücher auf einen Blick – und auch zum Bestellen – im Shop der Autorenwelt hier. Aber natürlich auch überall sonst, wo es Bücher gibt.
Text und Bilder: Maria Al-Mana