Es hat eine Weile gedauert, bis ich den ersten Schreiner gefunden habe, der mir für meine kleine Reihe kreativer Handwerkerporträts Rede und Antwort stand… Und jetzt ist es sogar ein Zirbenschreiner. Zirbe? Meint die Zirbelkiefer, die nur in Höhen über 1.500 Metern wächst, mühelos heftigen Stürmen und eisigen Wintern trotzt und doch ein besonders schönes, gelbrötliches Holz entwickelt, mit vielen fest verwachsenen, dunklen Astpunkten. Konrad Kreitmair heisst der Zirbenschreiner, ist Schreinermeister sowie diplomierter Raum- und Objektdesigner im „Unteren Altmühltal“, Landkreis Kelheim, Bayern – ganz in der Nähe des Donaudurchbruchs und von Regensburg. Painten heisst der Ort, in dem er seine Werkstatt hat.
Konrad Kreitmair, Foto: Stefan Debera
Herr Kreitmair, seit wann üben Sie ihr Handwerk denn schon aus? Was ist Ihre Ausbildung?
Schon mein Opa hatte als Schreiner seine eigenen Werkstatt – die jetzt mein Onkel führt. Ich selber habe gleich nach der Schule eine Lehre als Schreiner begonnen, die ich in zwei verschiedenen Betrieben absolvierte. Einer davon war „Möbelspezialist“, der zweite Betrieb war eher ein Allrounder bei dem ich auch noch Holzfenster, Haustüren in Einzelfertigung und Zimmertüren bauen lernte. Nach der Ausbildung war ich in einem großen Betrieb im Objektbau (Schulen, Krankenhäuser) beschäftigt, um dann anschließend, mit Unterbrechung durch meinen Zivildienst, in der Werkstatt eines Möbelhauses an Sonderanfertigungen zu arbeiten. Nach Meisterschule und dem Studium „Raum und Objektdesign FAK“ machte ich mich mit eigener Werkstatt und Planungsbüro selbständig. Handwerker bin ich so seit meinem 15. Lebensjahr.
Stellen Sie sich bitte vor, Sie müssten einem Blinden beschreiben was Sie beruflich tun…
Der Tisch an dem Du sitzt, das Bett in dem Du schläfst – beides haben wir aus dem Baum, der letztes Jahr noch im Wald, stand gebaut. Ich setzte die Beschreibungen und Ideen meiner Interessenten in die Wirklichkeit um. Beschreibungen werden zu Skizzen und Zeichnungen, die Zeichnungen zu Werksplänen und diese Pläne werden in der Werkstatt aus massivem Holz zu fertigen Möbelstücken und Einrichtungen verarbeitet.
Foto: Kreitmair
Alle Menschen, die ich für diese Porträt-Reihe ausgewählt habe, sollten zwei Merkmale mitbringen: Handwerk und Kreativität. Aber manchmal neigen Außenstehende (wie ich) ja dazu, das Handwerk zu romantisch zu sehen…. Wie ist das bei Ihnen: Können Sie wirklich kreativ sein?
Durch mein Zusatzstudium als Raum- und Objektdesigner habe ich auch den kreativen Part grundlegend gelernt, nehme bei jeder Kundenberatung die Vorstellungen meiner Interessenten, räumliche Situationen und Gegebenheiten und auch so manches „Gefühl“ mit auf. So entsteht für jeden unseren Kunden etwas „Neues“ das sich vielleicht an etwas Bestehendem anlehnt, aber doch neu ist. Hin und wieder ist es auch gewünscht oder gar notwendig, dem Interessenten zu zeigen was alles möglich ist. So entstehen immer individuelle Planungen und Entwürfe. Zu wissen, wie man das Ergebnis dieser Vorarbeit dann noch handwerklich perfekt umsetzt, und daran zu arbeiten, ist schon ein tolles Gefühl.
Können Sie mir bitte den Begriff „Handwerk“ definieren – ganz subjektiv, auf Sie und Ihre Arbeit bezogen?
Gedachte Ideen mit den eigenen Händen umsetzen zu können. Die Maschine als Mittel zum Zweck – geht in Ordnung. Das Charakteristische des verarbeiteten Materials sollte dabei allerdings mindestens erhalten, besser noch stärker zur Geltung gebracht werden.
Foto: Kreitmair
Was lieben Sie an Ihrer beruflichen Tätigkeit am meisten? Und was an den Produkten, die Sie fertigen?
- Gemeinsam mit meinen Interessenten / Kunden neue Ideen entstehen lassen und diese perfekt darzustellen und zu fertigen. Gedanken/ Ideen / Vorstellungen die unsere Interessenten äußern (aber nicht darstellen können) auf Papier zu bringen und umzusetzen – und es passt.
- Den Duft von frisch bearbeitetem Massivholz!
- Jedes Stück ein Unikat – keines gleicht dem anderen. Und bevor es aus der Werkstatt geht / dem Kunden übergeben wird – Innehalten, nochmal drüber streichen und sich denken: Jawohl, das haben wir gemacht und es eine saubere Arbeit geworden.
- Unsere genialen Kundenrückmeldungen zu ihren fertigen Einrichtungen
Was ist aus Ihrer Sicht das Gegenteil von „Handwerk“?
„Maschinen zu füttern“… zum Beispiel, CNC-Maschinen zu bestücken und nicht zu wissen, wie das fertige Produkt aussieht. Oder am Fließband zu stehen und den ganzen Tag Türen montieren, Kabel zusammenklemmen oder Platinen verlöten müssen. Arbeiten, bei denen die eigene Kreativität und eigene Ideen nicht mehr mit Händen, Kopf und/oder dem eigenen Körper umgesetzt werden können.
Wenn Kunden bei Ihnen etwas in Auftrag geben wollen, müssen Sie da vorher viel erklären? Entsteht durch solche Kundengespräche im Vorfeld eine besondere Kunden-Bindung?
Ja, unbedingt. Ich habe festgestellt: Ohne individuelle Beratung und Besprechung mit dem Interessenten bin ich nur dabei, ständig (Vergleichs)Preise zu liefern. Um unseren Interessenten das Optimale bieten zu können, müssen wir unbedingt wissen, was denn eigentlich gewünscht wird. Bei einer Anfrage „Machen Sie mir doch mal ein unverbindliches Angebot über ein Schlafzimmer aus Zirbenholz“ werde ich also als erstes das Gespräch mit dem Anfragenden suchen. Klären, was denn die Vorstellungen sind, aufzeigen was wir machen können und was der Wert unserer Arbeit ist – und so bestenfalls einen ausführliche Beratungstermin vereinbaren. In den Stunden, die hier gemeinsam mit dem Kunden an einem Projekt gearbeitet wird, steigt auch die Identifikation mit „seinem“ Objekt, das Bewusstsein für unsere Leistungen und die Qualität unserer Arbeiten. Und so sind letztlich alle unsere Kunden auch von ihren maßgefertigen Einrichtungen und Möbeln überzeugt und angetan. Manchmal ist es allerdings auch notwendig, dem Kunden zu sagen „Ich bin nicht der richtiger Partner für Dein Vorhaben.“
Foto: Kreitmair
Für fast alle handwerklich gefertigten Produkte gibt es ja heute industriell/serienmäßig gefertigte Pendants. Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Ihren Produkten/Ihren Produktions-Wegen und den nicht-handwerklichen Fertigungen?
Habe ich ja schon ansatzweise erklärt… Letztlich kommt es immer darauf an was der Interessent/Kunden denn eigentlich will: Auf was legt er Wert, was ist sein Antrieb? Eine zweckmäßige Küche zum kochen – oder lieber eine, in der er vor Freunden „seine Messe zelebriert“, sie als Meditationsraum verwendet und die für ihn der Mittelpunkt des Hauses darstellt? Will er ein Bad, in dem er sich wäscht oder eines das für ihn sein „Wellnesstempel“ mit Sauna und HiFi ist? Ein Schlafzimmer, in dem er sich zum Schlafen hinlegt oder eines in dem er ein Drittel seines Tages verbringt, liest, liebt, sich erholt und den Tag beginnen lässt? Von welchem Nutzungsintervall gehe ich aus? Das neue Wohnzimmer nach fünf Jahren? Vielleicht war es ja auch so passend geplant und gefertigt das es auch nach 15 oder 20 Jahren top ist?
Kaufe ich meine Lebensmittel kurz vor 20 Uhr beim Discounter oder Samstag vormittags auf dem Wochenmarkt oder im Hofladen und lasse mir erklären, was ich hier eigentlich in Händen halte, rede mit dem Erzeuger, erfahre neue Zubereitungsmethoden und entdecke dabei Neues?
Ja – das alles ist für mich nicht nur eine Frage von industrieller oder handwerklicher Fertigung, sondern auch Einstellungssache oder eben eigene Mentalität. Letztlich wird es immer jemanden geben, der die Besonderheiten handwerklicher Fertigung zu schätzen weiß. Was aber auf alle Fälle festzustellen ist: Zwischen „preiswerten“ Massenartikeln und „hochwertigen“ (handwerklichen) Produkten tut sich eine große Lücke auf. Produkte der „Mittelklasse“ werden immer weniger oder sind nur noch unwesentlich günstiger als das höherwertige Produkt.
Foto: Kreitmair
Finden Sie, dass es im Deutschland von heute noch genügend handwerkliche Angebote gibt? Und damit meine ich Infos über Berufe und Produkte, Ausbildungs-Angebote, Handwerksbetriebe und die Auswahl an handwerklich gefertigten Produkten für interessierte Kund/innen?
Noch gibt es genügend handwerkliche Angebote – auch wenn sie immer rarer werden. Wer aber wirklich spezialisierte Handwerker sucht, wird sie auch finden. Vielleicht nicht direkt im eigenen Ort… Die Sache ist nicht so einfach:
- Problem: Viele Interessenten haben keine Ahnung mehr davon, was ein Handwerker machen kann, worin er sich auszeichnet: „Ach – und Sie können mir das tatsächlich so bauen, wie ich das haben will?“
- Problem: immer weniger Schulabgänger können sich für einen Handwerksberuf begeistern. Ausbildungszahlen im allgemeinen nehmen stark ab. Oft ist die Ausbildung im Handwerk nur eine Zwischenstufe auf dem Weg Weg zur Fachhochschule, Berufsoberschule, zum Studium oder in die meist besser bezahlte Industrie.
Wenn Sie für sich und Ihr Handwerk einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?
Dass Konsumenten verstehen lernen: „Handwerk braucht Zeit“. Für viele unserer Werke sind oft mehrere Hundert Arbeitsstunden notwendig. Und hin und wieder kommt es ja vor, dass wir noch ein paar andere Aufträge zum erledigen haben, Lieferung in vier Wochen schaffen wir meist nicht – auch, wenn Weihnachten vor der Türe steht…
Mehr Porträts kreativer Handwerker/innen finden Sie übrigens hier.
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