In meinem letzten Beitrag über die „Sympathie-Strategie“ hab ich davon erzählt, dass ich in Schwaben aufgewachsen bin – und darum mein Sympathie-Pegel immer sofort steigt, wenn ich jemanden „schwäbisch schwätzen“ höre… Da ist der Weg nicht weit zu einem der bekanntesten Nervensägen-PR-Coups der Radiowerbung: dem Mann mit dem Müsli. Und dem breiten Schwäbisch. Definitiv eine Nervensäge. Aber ziemlich erfolgreich. Warum? Was macht diese PR-Strategie Nervensäge richtig?
- Die Werbe-Aktion hat einen sehr hohen Wiedererkennungswert
- Sie wird gnadenlos häufig wiederholt – es gibt kaum jemanden, der sie nicht kennt.
- Die Aktion polarisiert: Ich muss jedes Mal grinsen. Mein Mann will immer sofort das Radio ausschalten.
Bitte nicht vergessen: Diese Nervensäge gehört zu einem großen Konzern – die können es sich leisten, dass bei ihren Werbespots schätzungsweise die Hälfte aller potentiellen Kund/innen (vielleicht auch noch viel mehr…) mit Abwehr reagiert. Für Selbstständige eher nicht zu empfehlen. Doch das „Prinzip Nervensäge“ ist trotzdem auch für uns durchaus einen zweiten Blick wert.
Auf direktem Weg ins Langzeitgedächtnis!
Das „Prinzip Nervensäge“ entspricht exakt dem, was schon Ovid festgestellt hat: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“ Es ist zwar alles andere als schön, wenn jemand im Bezug auf seine PR-Maßnahmen immer nur zu hören kriegt: „Die schon wieder!“ oder „Der nervt einfach nur!“ Aber in dem Moment, wo ich mich zum Beispiel vom xten Post – immer mit ganz ähnlichen oder gar identischen Worten – des gleichen Menschen genervt fühle, beginne ich, mir den Namen dieses Menschen zu merken. Und sei es nur, um ihm oder ihr in Zukunft aus dem Weg zu gehen…. Aber wenn mich dann ganz unverhofft jemand fragt: „Kennst du nicht jemanden, der XYZ anbietet?“, wird mir garantiert diese „Nervensäge“ als Erstes einfallen – wenn es um genau diese Dienstleistung oder dieses Produkt geht, nach dem ich gefragt wurde…. Der „ausgehöhlte Stein“ ist also gewissermaßen mit meinem Langzeitgedächtnis gleichzusetzen. Und da kommt mit Sicherheit nicht jede PR-Maßnahme hin! Wie viele tolle Sachen hab ich schon gesehen! Aber vielleicht nur ein einziges Mal. Und was passiert, wenn ich verzweifelt versuche, mich genau daran zu erinnern? Das Gedächtnis kramt und kramt. Und findet: nichts. Die „Nervensägen“ aber könnte ich sofort aufzählen. Ohne nachzudenken. Die sind fest verankert, ob ich will oder nicht.
[ctt title=“PR-Typen der Kategorie ‚Nervensäge‘ bleiben in meinem Langzeitgedächtnis präsent. Ob ich nun will oder nicht….“ tweet=“PR-Typen der Kategorie ‚Nervensäge‘ bleiben in meinem Langzeitgedächtnis präsent. Ob ich nun will oder nicht….www.texthandwerkerin.de“ coverup=“Dc0A7″]
Ziel: Negative Effekte minimieren
Mit Sympathie hat die Nervensäge also nullkomma gar nichts zu tun. Ich würde sogar sagen: Sie ist das glatte Gegenteil. Als PR-Maßnahme ist „die Nervensäge“ nur schwer auszuhalten – nicht nur für mich, die potentielle Kundin. Sondern auch für denjenigen, der da an meinen Nerven sägt. Der muss natürlich vor allem den Unmut aushalten können, den er permanent auslöst.
Und: Wer mir auf die Nerven geht, dem unterstelle ich in aller Regel sofort: „Das kann gar nichts taugen!“ Eigentlich nur, um mir selbst einen Grund zu liefern, mich so schnell wie möglich abwenden zu können…. Doch: Wer sagt denn, dass das stimmt? Und hier sehe ich durchaus eine Chance für eine – vorsichtige – Nervensägen-Strategie: Wenn beispielsweise
- Überraschende Botschaften das ständige „Tröpfeln“ begleiten. Oder
- Intelligenz oder Humor im Spiel sind
- Ganz klarer Nutzen, erkennbare Qualität geboten werden.
- Oder wenn die Botschaft zwar ständig mit der Verlässlichkeit eines Uhrwerks daher kommt – aber diskret. Wie ein treuer Begleiter, der immer in der gleichen Ecke des kostenlosen Werbeblatts sitzt. Oder der Flyer, der jedes Jahr kurz vor Weihnachten in meinem Briefkasten landet….
Die letzten Beispiele sind schon so diskret, dass man kaum noch von einer Nervensäge sprechen kann… Aber ich denke: Genau darum geht es. Wer es schafft, eine solche Verlässlichkeit mit seiner PR-Strategie aufzubauen, dass Produkt, Name oder Unternehmen in meinem Langzeitgedächtnis landen, hat schon sehr viel gewonnen. Wenn mein Impuls dann nicht darin besteht, so schnell wie möglich abzuschalten, wegzugucken, davon zu laufen, dann stehen die Chancen gut, dass auf Dauer auch die Botschaft in meinem Gedächtnis abgespeichert ist.
Verlässlichkeit statt Nerven sägen
Ganz klar: Es geht um Kontinuität, um Verlässlichkeit.. Und wie bei dem Beispiel von dem Flyer jedes Jahr zu Weihnachten kann es oft einfach eine Frage der Frequenz sein, die das Treue, Verlässliche von der Nervensäge trennt. Jedes Mal, wenn ich das Radio einschalte? Für mich viel zu häufig, für Selbstständige vermutlich ohnehin zu teuer, für eine Kundengewinnung eher untauglich. Und den breit gestreuten Aufmerksamkeits-Effekt, den brauchen Selbstständige ohnehin nicht. Die brauchen vor allem die richtige Zielgruppe. In diesem Fall: Kunden, die mit Treue und Verlässlichkeit was anfangen können. Natürlich nur, wenn das zu mir und meinen Produkten passt… Also: Das „Prinzip Nervensäge“ sehr wohl, aber eben abgemildert zur sturen Verlässlichkeit einer Schweizer Uhr (deren Ticken einem allerdings auch schon mal auf die Nerven gehen kann…)
Tipps für PR-Maßnahmen von Selbstständigen
- Eine wirklich praktikable PR-Maßnahme für Selbstständige sind Social-Media-Anzeigen, die für kleines Geld, von Google, Facebook und so.
- Bei stark regional ausgerichteten Unternehmen der Flyer, zu plausiblen, wiederkehrenden (nicht zu häufigen!) Anlässen in Briefkästen verteilt.
- Kleine Anzeigen in den kostenlosen Werbe-Zeitungen, am besten immer in der gleichen Rubrik an gleicher Stelle.
- Die (zahlreichen!) Firmenautos, alle mit dem gleichen, möglichst deutlichen/auffälligen Firmen-Logo, die in einem Stadtteil an jeder Ecke stehen…
Eigentlich ist es das Prinzip der Marktleute auf einem größeren Wochenmarkt: jeden Dienstag, immer in der gleichen Ecke. Stammkunden denken da oft auch schon gar nicht mehr nach, kennen den Weg genau und landen immer exakt dort, wo sie wissen, was sie bekommen… Seit Jahren. So gut wie unauslöschlich im Gedächtnis verankert… und das vermutlich selbst dann noch, wenn es den Stand vielleicht schon gar nicht mehr gibt.
[bctt tweet=“Manche PR-Maßnahmen von Selbstständigen folgen dem Prinzip von Marktleuten: jeden Dienstag immer in der gleichen Ecke …“ username=“@texthanderk“]
In meiner Serie zur PR-Typologie für Selbstständige finden Sie viele weitere „Typen“ … Grundsatz ist immer: Erst mal gucken, wer ich bin. Und dann die geeignete Strategie für richtig gute Öffentlichkeitsarbeit finden.
Die komplette Serie: „Und welcher PR-Typ sind Sie?“ finden Sie hier.
Melden Sie sich doch mal!
Maria Al-Mana, die Texthandwerkerin
Kontakt
Text, Satz, Buch und Leidenschaft!