Manche meinen ja, in Deutschland sei Egoismus besonders verpönt… Vielleicht liegt es an Immanuel Kant: Nur, wenn ich so handle, dass alles, was ich tue, allen andren Menschen zum Vorbild dienen kann, handle ich gut und richtig. So sinngemäß der berühmte „Kant’sche Imperativ“. Vielleicht hat sich das in deutschen (protestantischen?) Köpfen besonders festgesetzt. Vielleicht kommt daher auch die seltsame Abwertung des Begriffs „Gutmensch“ – ein solcher Mensch sei ja nur darum gut, weil er (oder sie) sich mit dem Gut-Sein selbst einen Gefallen tue – also ein durch und durch egoistischer Handlungs-Impuls, behaupten manche. Vielleicht ist da was Wahres dran. Vielleicht aber auch nicht. Ich kann und mag das hier nicht ausführen. Ein Nachdenken darüber lohnt sich aber in jedem Fall, denn genau das Spannungsverhältnis zwischen „Ich“ und „wir“ ist ausschlaggebend für fast alles, was zur Zeit vor allem in Politik und Wirtschaft – vorsichtig gesagt – „unrund“ läuft… . Das hier nur mal als Denk-Anregung.
Egoismus als Hauptantrieb
Wenn es um PR-Strategien geht und darum, wer ICH in solchen Strategien bin und sein will, helfen andre Aspekte des Begriffs „Egoismus“ weiter. Der Philosoph David Hume etwa sagt sinngemäß, dass Menschen durch den Kontakt mit anderen Menschen ihre egoistischen Interessen besser steuern können – also:
[bctt tweet=“Lass mir meinen #Egoismus, dann lass ich dir deinen. Und wir profitieren beide.“ username=“@texthandwerk“]
Beide Seiten haben ihre Berechtigung
Das ist nicht so idealistisch wie bei Kant und Co. Und hilft uns in einer Zeit, in der – nicht nur in PR-Strategien – Authentizität, Individualität und/oder Einzigartigkeit sehr hoch im Kurs stehen, deutlich weiter als eine Maxime, in der alle Menschen gemeinsam nach EINEM Ideal streben sollen. Noch deutlicher wurde Adam Smith, der klar betonte, dass uns nie die „Menschenliebe“ zu Leistungen ansporne, sondern immer und ganz simpel nur die „Eigenliebe“. Das kann man zynisch finden. Ganz von der Hand zu weisen ist es nicht. Und es kann nützlich sein: In einer 10-Regel-Anleitung zur Prävention von Burnout steht an erster Stelle: „Sei egoistisch!“ Ähnlich argumentieren ja auch all jene, die sagen: Wer sich nicht selbst lieben kann, kann keine/n andere/n lieben. Und ich halte das für durchaus richtig. Mit solchen Sätzen bin ich aufgewachsen. Aber auch mit vielen sehr ernst gemeinten Konzepten zu Solidarität, Gemeinschaftssinn und zur absoluten Notwendigkeit der Überwindung des alten Egoismus‘. Und auch das fand und finde ich an den meisten Stellen absolut richtig. Nicht zuletzt war und ist es ja der extreme Egoismus der „Industrieländer“, der die ganze Welt in ein unverantwortliches Ungleichgewicht gebracht hat.
Halten wir fest: In einer Gemeinschaft kann wohl NIE zwischen „nur ich“ oder „nur wir“ entschieden werden… Beides gibt es, beides ist ist notwendig. Und selbstverständlich gibt es Selbstständige, die vollkommen – und durchaus zu Recht – davon überzeugt sind:
[bctt tweet=“Mein #Egoismus gehört zu mir. Und ist nichts Schlechtes. “ username=“@texthandwerk“]
Wer so etwas sagt, tut das meist voller Überzeugung. Und versteht oft kaum, wie man über „den Egoismus“ überhaupt anderer Meinung sein kann….Oft ist da auch die Rede vom „gesunden Egoismus“. Vermutlich ist dieser „PR-Typ“ finanziell erfolgreich – ob als Solopreneurin oder mit mehreren Angestellten. Aber solche Menschen sind oft auch jene, die stark polarisieren. Das muss man erst mal aushalten. Es kann unschön werden. Und einsam machen. Auch das gilt es auszuhalten.
Egoismus ist nichts Schlechtes….
Nein! Es ist nicht einfach! Und wird es wohl auch nie werden. Wie gehen wir jetzt mit dieser Doppel-Rolle von Egoismus als etwas gleichermaßen Notwendigem wie Schädlichem um, wenn wir über PR-Strategien nachdenken ? Da gab es 2002 die Sache mit dem „Geiz ist geil“. Warum nur war das so erfolgreich? Meine Theorie ist: Weil wir uns ab da mit einem Mal alle zu unsrem Egoismus bekennen durften. Ganz ohne schlechtes Gewissen. Der Slogan war absichtlich provokant, gradezu rausgerotzt. Und viele Menschen waren erleichtert: „Wenn DIE das sagen, darf ich das auch. Zumindest denken….“
Die PR-Strategie war aggressiv: Die Schrift, der Spruch, die Grafik – alles. Und dennoch hatte sie ihre Berechtigung. Wer sich also – vielleicht grade als Solo-Unternehmer – in der Rolle des oder der Aggressiven, der Egoistin, des Provozierenden wohlfühlt, sich vielleicht – zumindest ansatzweise – auch in seinem Privatleben ähnlich sieht: Nur zu! Wer das kann, nimmt manchen Menschen die Scheu vor einem Egoismus, der viel zu oft verteufelt wird. Das kann Identifikation schaffen, zumindest Erleichterung. Und wenn das Ganze dann noch mit einem Augenzwinkern gelingen sollte: perfekt! Ich fürchte allerdings: Dazu brauchen Sie sehr viel Selbstironie. Und vor allem: echte Marketing-Profis…..
…. aber auch riskant
Denn das ist nun wieder die Kehrseite der Geschichte (und die gibt es beim Egoismus IMMER!): Wenn so eine PR-Strategie nicht wirklich, wirklich gut gemacht ist, kann sie ganz schnell nach hinten losgehen. Dann hagelt es Spott und Shit in allen Formen, fast immer zu Recht. Sie haben sich lächerlich gemacht. Und möglicherweise Ihren guten Ruf ruiniert….
Aber noch einmal: Manchmal gelingt es ja auch. Berechtigt ist eine solche PR-Strategie allemal. Vielleicht die beste Taktik für einen Schauspieler wie Friedrich Liechtenstein… Aber Achtung: Der Mann ist ein echter Künstler und ganz groß in Sachen Selbstironie. Ein wenig davon sollte schon mitbringen, wer solche PR-Strategien ins Auge fasst.
Ganz konkret. Praktische Tipps
- Gehören Sie zu den Menschen, deren „egoistischer Anteil“ stark ausgeprägt ist? Dann stehen Sie ruhig dazu, auch in aller Öffentlichkeit! Denn:
- Die Botschaft: „Ich darf (auch) egoistisch sein“, kann durchaus etwas Befreiendes haben.
- Übertreiben Sie es aber bitte nicht! Selbstironie, Charme, spielerischer Umgang mit dem Thema gehören unbedingt dazu. Egoismus pur macht unsympathisch!
- Es ist ein ambivalentes Thema. Sprich: Nicht so einfach, die notwendige Balance zwischen klarer Aussage, Professionalität und Sympathiewerten zu finden… Professionelle (Werbe-)Unterstützung dabei wird deshalb dringend empfohlen!
- Vergessen Sie nie, dass Egoismus immer zwei Seiten hat: Wenn ich selbstständig bin, nutzt es meinen Kund/innen wenig, wenn ich egoistisch handle – und das auch noch laut in die Welt hinaus posaune. Andererseits kann der Kunde grade dadurch zu der Überzeugung kommen, dass ich und meine Arbeit „Gold wert“ sind. Der Egoismus meiner Kundschaft aber muss in meiner Botschaft mindestens so viel Raum haben wie mein eigener. Wenn ich es schlau anstelle, lautet die Botschaft: „Dein Egoismus ist auch meiner“.
- Egoistische Botschaften haben immer eine Art Megaphon-Effekt. Darum eignen sich podcasts, Radiowerbung, Banner- und Flyer-Werbung sowie Aufkleber und Co. besonders gut.
Kann ich weiterhelfen? Sehr gern! Kontakt hier.
Mehr aus meiner Serie zur Feststellung des eigenen PR-Typs… ein bisschen augenzwinkernd zwar, doch durchaus ernst gemeint. Denn die richtige PR-Strategie ist für Selbstständige überlebensnotwendig.